Leben in der Fülle

Im Guten und im Schlechten, könnte ich jetzt sagen, das stimmt aber nicht. Ich bin mir sehr sicher, dass Franz mir bereits Türen geöffnet hat, die ich nur nicht so deutlich wahrnehme, weil ich noch mit den Türen beschäftigt bin, die sich geschlossen haben. Unser Abschiedsfest hätte ihm gefallen. Es gab die Möglichkeit, in einem separaten Raum von ihm Abschied zu nehmen. Ich wartete, bis die Schlange sich gelichtet hatte, schlüpfte hinein, schaute ihn lange an, sprach einen Segen und bedankte mich bei ihm.

Es wurde gelacht und geweint, geteilte Zeit, Gefühle und gemeinsame Orte und Gedanken geehrt und es gab Musik. Auch ein Geigenstück von mir – irgendwo zwischen Blues, Osteuropa, Zorn und Liebe und natürlich dem Wissen, dass ich den Anwesenden einen Weg bahnen muss. Als ich „into my arms“ von Nick Cave sang, mit der Gitarre unterstützt und begleitet von meinem wundervollen Kollegen Jörg, dem langjährigen Weggefährten von Franz, dachte ich kurz, Franz stünde hinter mir und frotzelte mich an, warum denn hier alle so traurig seien und was denn los wäre. Als seine Gefährtin begann, von „Passage“ zu sprechen und was sie alles bedeuten kann, wusst ich endgültig, dass ich eine Woche zuvor den richtigen Titel für mein Soloalbum gefunden hatte.

Heute war ich unterwegs, um Trost zu finden, draussen … Wald … Wasser … und wie ich da so durchs Unterholz krabble, finde ich nach mehreren Parasol(Schirm)pilzen eine Miniaturlichtung mit einer Steinpilzmama plus Steinpilzkind. Direkt daneben eine Schwungfeder von vermutlich Bussard, ich hörte sie auf dem Weg rufen. So bin ich nun nicht nur getröstet, sondern auch genährt mit einem Pilzgericht und (da ich immer wieder und oft Federn finde) in Kontakt mit „oben“. Was brauch ich mehr. Niemand weiss, was morgen ist. Und wenn wir frieren werden, warum? Sicher nicht, weil uns das Erdgas fehlt.

Über die Grenze

Ach Franz. Vorgestern Nacht hast du dich davongemacht. Ohne Vorankündigung. Und wirklich, wirklich viel zu früh. Nun muss ich mein Solovioline-Livealbum ohne deine treue Unterstützung zuende bringen. Und mich ohne dich darüber freuen. Und unser wundervolles Trio THE HUMMING TREES ist Geschichte. Es ist zum weinen. Und ich tue es auch.

Ich habe deine stille, freundliche und kraftvolle Präsenz beim Spielen geliebt. Du warst uns allen ein Vorbild, dass zum Musizieren eben doch ein bisschen mehr gehört als flinke Fingerchen und dass ein musikalisches Miteinander nur dann wirklich funktioniert, wenn die Beteiligten einander zuhören, respektieren und auch im Widerstreit SoSeinLassen. Und sich on the road nicht auf den Zeiger gehen.

Was ist passiert? Hast du dich in der Tür geirrt in dieser Nacht? Leben oder Sterben? Hattest du ein Problem, von dem du niemandem erzählt hast? Wusstest du etwas über dich und deine Zukunft und Sterben war die beste aller Alternativen?

Ich bin froh über unsere kleine Konzert-Tour mit Humming Trees an der Ostsee im Juli und ich sehe uns in der Lukaskirche am 2. August bei den Aufnahmen für mein Soloalbum. Du warst einer der Menschen, die meine künstlerische Präsenz sehen, verstehen und ehren konnten, ohne sie auf ihr eigenes Mittelmaß heruntermackern zu müssen. Das hattest du nicht nötig. Du wirst mir fehlen. Du fehlst mir jetzt schon.

Es ist eine schwere Zeit gerade. Wir wissen alle nicht, wohin mit unserer Liebe und unserem Zorn, scheinbar geht es an jeder Ecke nur um Kohle, alles ist ausgehöhlt und ohne Sinn und die Machtbesessenen dieser Welt machen das, was sie wollen. Also eigentlich versteh ich dich sogar. Mach’s gut. Wir sehen uns wieder.

Neubeginn

Die letzte Stunde im Oderbruch. Ich bin gestärkt und froh, daran ändert auch die Nebenkostenabrechnung nix. Gestern hatte ich dann endlich mal Ruhe, um mir Eugen Drewermanns Rede gegen den Krieg anzuhören. Findet man auf YouTube, ich verlinke mal lieber nicht. Aus Gründen. Meine Kollegin Heike singt grade wieder die alten Lieder von 89, kommt super gut an und ändern muss sie auch nichts. Ach ja. Die Stunde der Schwellenreiter und der von Macht besessenen und besoffenen aller Himmelsrichtungen.

Hoffentlich schlägts bald 13.

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