Ende und Anfang

Ein neues Jahr kommt! Erstaunlich viel ist geschaffen und noch mehr in Vorbereitung. Trotz widriger Umstände. Auch ich mühe mich mit der Einsicht, dass Balance in einer unsicheren Welt immer nur eine individuelle und kurzfristige Gewissheit sein kann. Vieles reift noch in den Fässern des „Gedankenkellers“ (Ringelnatz). Schreiben hilft bei der Beleuchtung der Hintergründe. 

Dass mir und allen Angehörigen der künstlerischen Berufe in diesem Jahr endgültig die „Systemrelevanz“ aberkannt wurde, ist natürlich ein ungeheuerlicher Vorgang. Ein gewisses Maß an Kränkung und Demütigung steht in meiner Stellenbeschreibung – das war und ist mir klar, aber ….. Nun, ich fand es ganz hilfreich, zu überprüfen, wie ernst es mir damit ist, eine Kreative, eine Künstlerin zu sein. Prüfungen kommen ja nie gelegen. Diese Website ist eines der Ergebnisse von „Trotzalledem“. Zur inneren Aufrichtung und meiner persönlichen Freude habe ich viel gezeichnet. Und wie immer rücken die Bewegungen des Stiftes meine Innenwelten zurecht. So ein weißes, leeres Blatt kann ja vieles sein. Herausfordernd, bedrohlich, inspirierend, fokussierend … Oder einfach nur weiß. Und zack, kommt auch eine Melodie.

Viele Kulturen behaupten, es hätte vor ihnen und vor langer Zeit kleine Leute gegeben. Vazimba in Madagaskar, das kleine Volk auf Rügen, die Pikten in England … In der Regel haben sie uns nichts hinterlassen, was ihre Existenz beweist. Geschichten vielleicht und kleine alltägliche Bewegungen, Musik. Da ich ja Künstlerin bin, darf ich mir alles vorstellen – mich erfreut und tröstet die Idee, dass wir es auch bei Viren, Bakterien, weissen Blutkörperchen und anderen unbegreifbaren Wesenheiten mit „kleinen Völkern“ zu tun haben, deren Sprache wir noch nicht gelernt haben. 
2021 wird ein Jahr vertiefter Kommunikation werden. Fische zu überreden, auf Bäume zu klettern, gehört wohl nicht dazu. Integrative Kräfte stärken, Verantwortung für meine Energie, meine Lebenskraft übernehmen. Wahrnehmen, als Wahrheit annehmen: was brauche ich und warum? Ideologien und Machtansprüche überprüfen. Demut und Dankbarkeit sind nicht die Abwesenheit von Mut und Kampfgeist. Eine Kultur des „sowohl als auch“ statt „entweder oder“ wäre ganz hilfreich. Wenn Papa was falsches sagt, ist ja nicht notwendigerweise das Gegenteil richtig.
Und der berühmte  Mutterwitz. Lachen ist natürlich kein Ersatz für eine notwendige medizinische Behandlung, hilft aber auch beim gesund werden/ gesund sein. Betrug aufdecken? Ja bitte und den Selbstbetrug gleich mit. Über die eigenen und die fremden Stereotypen mild verwundert und verständnisvoll amüsiert sein – dass eine/r nicht aus ihrer/ seiner Haut kann, wussten schon unsere Großmütter. Und sie wussten, wie existenziell wichtig Wiederholungsrituale sind – wie wenig sich Krisen dazu eignen, die Werkzeugkiste tatsächlich komplett neu zu befüllen. Bist du mutig genug, deine Haut abzustreifen? Snake Woman Is Shredding Her Skin. Changing Woman Is Changing The World.

Ich wünsche uns allen einen klaren Geist, ein mutiges und solidarisches Herz, helle Träume und instinktsicheres Handeln. Und die wachsende Fähigkeit, sich zu verzeihen, wenn zeitweise mal nichts von alledem gelingt. Wir üben. Und wenn wir etwas üben, werden wir darin besser. So sagt es meine Meditationsleiterin, die auch eine Musikerin und Lehrperson ist. Recht hat sie. Das Proletariat auf dem Gewerbehof, wo sich mein Proberaum befindet, meinte, wir könnten doch so ähnlich wie im „Murmeltier“ das Jahr 2020 so lange wiederholen, bis wir verstanden haben, wie es anders und besser geht. Auch ne gute Idee. In diesem Sinne von einem meiner großartigen Schauspielkollegen von „RambaZamba“: „Mach was Bestes!“

Mutternacht

Eins von zwei Bildern zum Jahreswechsel 2020/ 2021. Mein Herz und meine Gedanken sind heute besonders bei allen an Covid19 Erkrankten und ihren Angehörigen, die mit der Ungewissheit über den weiteren Krankheitsverlauf leben und die Feiertage ohne Kontakt verbringen müssen. Außerdem denke ich an alle Angehörigen der medizinischen Berufe, die in diesen Tagen oder nächste Woche oder in drei Monaten Dienst haben. Ich wünsche mir, dass allen Verantwortlichen in diesem Jahr klar geworden ist, dass unsere Krankenhäuser eine bessere Personalausstattung brauchen und nicht länger Orte marktwirtschaftlicher Effizienz und Gewinnmaximierung sein dürfen.

Auf ein Ende der Hysterie und der Ignoranz als einzige Zugangswege zu den Problemen und Schönheiten dieser Welt … für mehr Kommunikation und Kontakt, auch mit Geschöpfen, die man nicht sofort versteht. Alle Wesen kommunizieren.

home of the brave

Ist einem Land zu trauen, in dem Donald Trump Präsident und Deb Haaland Innenministerin werden kann? Ich bin nicht sicher. Sie überraschen mich immer wieder, die AmerikanerInnen und ihre Heimat der Mutigen. Nun wird eine Frau Innenministerin im Kabinett Biden. Frau kann ja heutzutage jeder. Aber eine Frau, halb Laguna Pueblo, halb Norwegerin. Das ist ungefähr so wie bei uns eine Sintiza mit sorbischer Mutter. Naja, hinkt. Aber trotzdem: stell dir vor, unsere Innenministerin hat einen Zigeuner zum Vater und ihre Mutter gehört zu diesem komischen christlichen Volk mitten im gottlosen Osten, die zu Ostern auf Pferden reiten.

Nun also Deb Haaland. Eine native american aus dem Südwesten, da wo matriarchale Strukturen bis zur Ankunft der Eroberer aus Europa und darüber hinaus lebendige Alltagspraxis waren und sind. Ihre AhnInnen, die Anasazi, hatten Probleme mit Dürren und Überbevölkerung, die sie dazu zwangen, Wohnsiedlungen und Felder aufzugeben. Ein Grund, warum wir unsere Vorfahren gern als primitiv bezeichnen, ist ja, dass wir anerkennen müssten, dass auch Hochkulturen spurlos verschwinden können …. Wer weiß schon, welches Virus Atlantis versenkte. Wünschen wir Deb Haaland Glück und einen klaren Geist!

„Home of the brave“, der großartige Konzertfilm von Laurie Anderson (1986), ist auf Youtube zu finden. Ich sah sie live vor vielen Jahren zum Rudolstadt-Festival, am späten Sonntagabend, oben auf der Heidecksburg, von meinem Stagemanager-Job völlig erledigt. Nie vergesse ich diese selbstverständliche klare künstlerische Präsenz.

Und heute ist Wintersonnenwende, nun wird es wieder mehr Licht und es dauert noch bis Lichtmess/ Imbolc am 2. Februar, bis wir es merken. Zur Wintersonnenwende 1996 starb meine Mamma und öffnete mir neue Türen.

Draussen

Sitzen, laufen, lauschen, atmen. Am Wolfssee im Winterlicht. Abseits der Menschenströme. Nur wenige Meter neben den Wegen lauern Schönheit, Überraschung und Stille. Mein Vorbild, die Füchse! Eine Füchsin kann im Gebüsch nebenan einen Baueingang haben und ihre Jungen großziehen und wir bekommen nix davon mit.

„Wir haben nicht falsch gehandelt, wir haben nur zu wenig gemacht.“ (Winfried Kretschmann, Politiker, 2020) Erinnert mich an: „Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch das Pech dazu.“ (Jürgen Wegmann, Fußballer) Den Fehler als kreatives Potenzial wahrzunehmen ist eine alte Strategie der künstlerischen Berufe. Ob die pure Umdeutung der Pleite in Erfolg schon kreativ ist? Oder einfach nur „man schlawinert sich so durch“? Nach dem Scheitern den Kopf zu heben und was neues anzufangen, hat wohl auch mit Übung zu tun, sagen die „ErfolgreichTrotzPleiten“-Coaches. Naja. Ob Corona nun grad ein gutes Übungsfeld ist. Nur ein Narr macht immer dasselbe und erwartet jedes Mal andere Ergebnisse, heißt es. Auch jetzt: Spielräume finden und nutzen. Atmen, denken, bewegen. Und die Elemente besuchen und ehren. In Kontakt gehen. Zuhören. SEIN-Lassen. Nicht alles, was wir nicht sehen/ hören/ wahrnehmen können, existiert auch nicht.

Hier mein Feuer von gestern, bzw. das Ergebnis des Feuers.

In Schönheit gehen


Diese Essenz eines Heilungsgebetes der Navajo fiel mir wieder ein. Vor vielen Jahren gab ich einer Ausstellung mit meiner Grafik&Malerei diesen Titel. Wenn die Bibliotheken wieder aufmachen, suche ich mal das Buch mit dem Originaltext.

In beauty I walk
With beauty before me I walk
With beauty behind me I walk
With beauty above me I walk
With beauty around me I walk
It has become beauty again

Und ich denke grade über Kreativität nach. Kreativ denken, kreativ handeln, kreativ SEIN bedeutet für mich vor allem, nie mit nur einer Möglichkeit zufrieden zu sein. Gibt es scheinbar keine Wahl, suche ich nach anderen Möglichkeiten. Nur EINE weitere Möglichkeit zum auswählen ist schon prima ………. Komplexität und Mehrdimensionalität, Kommunikation und Zusammenarbeit bestimmen das Leben. Die Gesetze des Lebens gelten auch für uns Menschen. Wann immer ich denke, es gibt nur diesen einen Weg, mache ich mich auf ins Gebüsch oder zur nächsten Kreuzung. Und siehe da – eine neue Melodie, ein neuer Staat, ein neues Projekt, eine andere Form, ein anderer Inhalt, eine Änderung der Blickrichtung. Künstlerische Kreativität und Kreativität im Alltag, was gibt es besseres.

>>> Wahrheit, Anmut, Rohheit, Mythos, Zärtlichkeit, Schönheit – daran arbeiten wir uns nun schon ein ganzes Leben lang ab. Und wissen immer noch nichts genaues. Probieren wir also unverdrossen weiter. Besseres haben wir nicht zu tun. <<< (Renate Göritz)

Lila Wunder in Berlin

„1920 Begegnungen und Verbindungen /// 2020 sichbar werden – sichtbar bleiben“

In der kunsthistorischen Betrachtung und Einordnung wird lesbischen Lebensentwürfen, Beziehungen und Netzwerken kaum Bedeutung zugemessen. Dass etwas selbstverständlicher Teil einer Vielfalt ist, setzt natürlich die Anerkennung von Vielfalt voraus. Damals wie heute eher problematisch – Einfalt ist wie Einfachzucker eben auch eindimensionaler und einfacher.

„Lila Wunder“, eine Ausstellung im „Queeren Kulturhaus/ Projektraum Kunst&Kultur“ in Berlin. Ich bekam eine coronakonforme Privatführung und konnte auch noch ein paar Sounds einfangen – das ist umso schöner, als das Haus Potsdamer 120 demnächst abgerissen und durch ein Hochhaus ersetzt wird. Mittendrin fuhr ein Motorradkorso minutenlang hupend durchs Bild, lauter Weihnachtsfrauen und -männer, Christkindl und Blinkelämpchen und Weihnachtsbäume auf kleinen bis sehr großen Maschinen und Quads. Großes Theater. Essenz: Nicht warten. Ideen generieren, planen und ankündigen. Vorbereitet sein. Proben und üben und Flyer drucken. Absagen und verschieben geht immer. Verstehen dann auch alle. Nicht warten. Unser Leben geht währenddessen vorbei.

la corona de la creación

Stillwerden. Nachdenken. Über die Rolle des Menschen auf der Welt, auf der Erde, in der Schöpfung, im Kosmos. Über die Rolle von Pflege, Fürsorge, Musik, Ritual und sozialer Kultur – Heilen, Helfen, Bilden, Lehren, Trösten, Singen und Loslassen. Brauchen wir denn wirklich eine Hierarchie der Wichtigkeiten? Baumarkt ist besser als Theater? Mensch ist besser als Virus? Leben um jeden Preis ist besser als Sterben zur richtigen Zeit? Antworten ist besser als Fragen? Was wir mit Sicherheit im Moment nicht brauchen, sind weitere eitle, selbstgefällige, machtbesessene, mediengeile und bis zum Überdruss dumme Männer, die „die Wahrheit“ kennen. Ich bin es müde. Krankheit und Tod sind integrale Bestandteile des Lebens. Mögen alle lebenden Wesen lernen! Soweit man hört, lernen Viren ziemlich gut, obwohl sie nicht leben (sagen die Wissenschaftler). Hm. Danke Corona. Das Bild habe ich gemalt für meine Crowdfunding-Kampagne im Frühjahr. Hier noch mal vielen Dank an alle UnterstützerInnen, auch von meiner „Musikerfamilie“ in Madagaskar! Ich konnte mit Eurer Hilfe ganz konkret helfen und etwas die Zeit überbrücken, in der meine Kollegen nicht reisen und in Europa Geld verdienen können.

being a woman artist

Immer wieder schön! Die Guerrilla Girls sind eine anonym operierende Gruppe feministischer Aktivistinnen und Künstlerinnen. „Wenn du es schaffst, jemanden über eine komplexe Sachen zum Lachen zu bringen, hast du Zugang zu seinem Gehirn. (…) Dann haben wir die Möglichkeit, das Denken zu verändern“, erklärte 2007 eine der Aktivistinnen. Deutlich wird das zum Beispiel an ihrem Plakat von 1985, das fragt, ob Frauen etwa nackt sein müssten, um ins Met-Museum zu kommen. „Als wir anfingen, wollte niemand zugeben, dass er Frauen oder nicht weiße Künstler diskriminierte. Heute setzen viele Museen stärker auf Inklusion. Aber es bleibt schwer, dieses große Schiff zu wenden.“

E.622-1997 Offset colour lithograph Artwork by Guerilla Girls POSTER promoting feminist message : Do Women Have to Be Naked to get into the Met. Museum

Friedensgebet in der Nikolaikirche am 23.11.

Auch dieses Jahr gab es wieder ein Friedensgebet anläßlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen, gestaltet von der GEDOK und SHIA. Diesmal unter Pandemiebedingungen. Und mit Livemusik im Rahmen des Gottesdienstes. QAnon war vor Ort und malte Qs in den Raum. Großes Theater. Hab ich der Göttinseidank nicht mitbekommen, wer weiß, wäre sonst der Satan in meine Geige gehüpft. Oder aus ihr heraus. Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten. Hier zur Auffrischung B. Brecht

Unser Montagsgebet stand unter dem Motto
„#meinherzgehörtmir – Gegen Zwangsverheiratung und Frühehen!“ 

Die Probleme, die wir vorher schon hatten, sollten wir im allgemeinen Getöse nicht aus dem Blick verlieren, denke ich. Ich bin dankbar, mich in der langen Tradition der Leipziger Montagsgebete zu wissen.

Ein Mitschnitt von der überaus gelungenen musikalischen Erstbegegnung zwischen Ingeborg Freytag und Brunhild Fischer 😉 zum Friedensgebet in der Nikolaikirche am 23. 11. 2020. Inklusive authentisch knarrender Kirchenbank …. Is bisschen leise, aber sonst wird die Kirchenbank auch lauter …. eine Frage der Prioritäten.

Und nun verspreche ich noch hoch und heilig, dass ich nicht wieder 4 Monate warte bis zum nächsten Beitrag. Wäre ja auch eine Schande, so spannend, wie grad alles ist.

Brockenfahrt und Feldaufnahmen im November

Anfang November war ich zu Feldaufnahmen am/ auf/ rund um den Brocken. Schönstes Wetter! Unfassbar, wie verschieden fließendes Wasser klingt. Surreale Klang-Begegnungen mitten im Wald, am nächsten Tag am Wurmberg. Ein Halt am Zufluchts- und Ferienort meiner Kindheit.

Mein Denkzeit-Stipendium der Kulturstiftung Sachsen, was ich Ende Juni bekam, hatte ja eher ideelle Ergebnisse, die sich aber inzwischen gut im realen Raum manifestiert haben. Ich war am äußersten oberen Ende der Insel Rügen, um Wasser und Wind sowie Töne von Orten einzufangen. Nun arbeite ich weiter an einer Soundbibliothek für kommende Kompositionen. Der Hör-Raum „Outdoor“ ist natürlich durch keine Elektronik nachzustellen. Künstliche Klangräume sind durchaus nützlich, wenn grade das Original nicht zur Verfügung steht. Ich ziehe die hörbare Seele eines Ortes vor.

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