Vorfreude auf Andreas Reimann und Maria Schüritz

Am nächsten Wochenende spiele ich mit meinem alten Weggefährten, dem Lyriker und Textautor Andreas Reimann in Wurzen zum Ringelnatzsommer – zwei (verschiedenene!) Lesungen mit Musik am Samstag, 6.8. um 15.00 und am Samstag, 6.8. um 17.00 – ich freue mich sehr darauf! Im vorigen Jahr saß ich da so rum, dachte über mein Bühnenjubiläum nach und sah vor mir, wie wir uns auf seiner Beerdigung wiedersehen, er die Augenbraue hochzieht und fragt, warum wir nun eigentlich in diesem Leben nix mehr zusammen gemacht haben. Flugs schrieb ich eine Mail, die erfreut beantwortet wurde und: da sind wir!

Ingeborg Freytag – Foto von Eckhard Ischebeck
Andreas Reimann

Und am Sonntag, dem 7.8. präsentieren Maria Schüritz und ich unser Livehörspiel „Zwischenwelten“ zum Knallbrausefestival in Leipzig. Das Festival läuft von Donnerstag bis Sonntag und wir haben die Ehre und das Vergnügen, das ganze mit unserem maximal energetisch komprimierten Mix aus Instant Compositions, Texten und festen Songstrukturen krönend abzuschließen. Das Festival wird organisiert vom Ensemble Jedermensch, schöne und sehr empfehlenswerte Initiative.

Zur mentalen und emotionalen Vorbereitung, hier geht es in die Zwischenwelten auf YouTube. Willkommen!

Im musikalischen Multiversum

Heimgekehrt vom superschönen und anstrengenden Rudolstadtfestival und unserer kleinen HummingTreesOstseeKurzTournee war ich inzwischen schon wieder Gast bei Maria‘s neuem Album und habe auch meine Rahmentrommelübungen wieder aufgenommen.

Am 2. August werde ich ein Live-Solo-Album einspielen. Am Abend findet die Abschiedsfeier für meine ehemalige Gefährtin Delia statt. Und ausserdem habe ich Geburtstag. Was das Leben so manchmal veranstaltet. Das gibts in keinem Russenfilm. Das Gute ist, ich habe keine Zeit für Krieg und andere Dummheiten. Das Thema mit dem grossen C macht auch nicht kreativ, jedenfalls nicht in grösseren Zusammenhängen. Ham wer in der DDR immer versucht zu vermeiden, das sich Reinziehenlassen in das tagespolitische KleinKlein. Das KleinKlein der grössten DDR der Welt, phhh. “SchwarzRotGold ist das System, morgen wird es untergehn!“ Hätten wir es mal richtig gemacht. Ich bin trotzdem unendlich dankbar für diese radikale Demokratieerfahrung und den grossen Aufbruch, mit dem wir unser Land verändern wollten. Zumindest bis zur Maueröffnung. Alles schien möglich und ich denke, so war es auch. Alles war möglich. Ich denke, wir sollten Mut fassen. Es muss doch möglich sein, den 273 Männern, denen wir aus Versehen diesen Planeten überlassen haben, denselben wieder wegzunehmen. Oder?

Fenster in die Zeit

Mich beschäftigen die Möglichkeiten oder auch Unmöglichkeiten, mich zu beteiligen an dem was geschieht. In a good way. Wenn ein Song die Wahrnehmung verändert, verändert er die Welt. Das ist wohl so. Auch wenn viele was anderes behaupten und/ oder glauben.

Foto von Eckhart Ischebeck

„Im Schatten der Zeit – unserer Zeit – leben wir Menschen. Alle. Jeder im Schatten der seinen. Sich dessen bewusst zu werden und herauszufinden, wie und wo man in der Lage sein könnte, oder sein müsste, diesen Schatten aufzuheben, um in das Licht des Erkennens, gar der Erkenntnis zu geraten, will mir als eine der Sinnhaftigkeiten unseres Erdenlebens erscheinen. Aber auch als eine, die wir gern und zu allen Zeiten mit Gedankenlosigkeit zuschütten.“ Erika Pluhar (Schauspielerin, Sängerin, Autorin)

Wo ist ein Bob Dylan, eine Joan Baez, wo ist ein Willy Brandt, ein Stanislaw Petrow, wo sind die, die zum Frieden raten und Frieden stiften, vom Frieden singen und uns erinnern.

„Wo sind sie geblieben, was denken sie heute, die da schworen vor 40 Jahrn: Nie wieder fassen wir Waffen an, lieber trocken Brot unser Leben lang.“ Das schrieb ich als Text (und Musik) in einen Song 1989, nachdem ein junger Mann bei einem Manöver mitten im „Frieden“ von einem Panzer überrollt wurde und starb. Ach eigentlich will ich nicht mehr reden. Zumindest heute nicht. Morgen fahre ich zum Rudolstadtfestival. MusikMusikMusikMusik. Auch da werden sich Fenster öffnen. Ja.

Mein 50jähriges Bühnenjubiläum

Es hat natürlich auch ein Datum. Am 7. 7. 1972, mit 6 Jahren und 11 Monaten, hatte ich meinen ersten großen Auftritt als Solistin, beim Pressefest in Gera. Pressefeste waren alljährlich stattfindende und für damalige Verhältnisse gigantische Freiluftveranstaltungen mit vielen KünstlerInnen und den damals noch üblichen großen Orchestern bzw. Bigbands. Ich stehe da mit dem „Großen Unterhaltungsorchester Halle“ unter Erich Donnerhack. Er war selbst Geiger und gründete nach dem Krieg und seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft zunächst in Leipzig das „Rundfunk-Unterhaltungs-Orchester Erich Donnerhack“, in dessen Konzerten z.B. Heinz Quermann, Lutz Jahoda und Fred Frohberg ihre Karriere begannen.

Mein Vater Wolfgang war von 1967 bis 1970 Solobratscher bei Donnerhack im Hallenser Orchester. So gab es den Kontakt und er schlug der Konzert- und Gastspieldirektion Gera (der staatlichen Künstlervermittlung) meinen Auftritt vor.

Natürlich (!) war ich gebrieft, dass das natürlich (!) trotz der Country-Attitüde kein „Cowboylied“ ist, wie ich es dem Redakteur der Zeitung „Volkswacht“ sagte (von wegen westlicher Kultur und Dekadenz). Aber ich war ja noch nicht mal sieben und so gab es nur einen kurzen und folgenlosen Wirbel deswegen. Ach ja, das waren Zeiten.

Eins meiner Lieblingsstücke aus diesen Tagen ist das Andantino aus „Bilder der Kindheit“ des sowjetisch-armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan. Das ist der mit dem Säbeltanz (aus dem Ballett „Gayaneh“). Gabs dann später nochmal in Kubricks „Odyssee im Weltraum“. Vielleicht wurzelt meine Verbundenheit mit der Musik des Kaukasus in diesem Klavierstück von einem Mann, der selbst mit georgischer, armenischer und aserbaidschanischer Musik aufwuchs. Wer weiß. Die Formalismus-Anklage (antisowjetische Tendenzen in seinen Kompositionen) blieb ihm nicht erspart. Die Leute, die ihm (und Schostakowitsch und Prokowjew und und) das vorgeworfen haben, sind heute zu Recht vergessen.

Kürzlich durfte Schostakowitschs „Leningrader Sinfonie“ nicht aufgeführt werden. Musik von einem Russen. Phhhh. Grade denke ich, ob Vergessen nicht auch eine gute Strategie ist. Davor haben die Kriegstreiber, Spalter, Todessüchtigen und Machtbesessenen dieses Planeten mit Sicherheit die meiste Angst. Dass sich niemand ihrer erinnern wird.

Aus meiner Sicht hat das mit der großen künstlerischen Laufbahn durchaus funktioniert. Ich habe soviel gemacht in den letzten 50 Jahren, wenn ich drüber nachdenke, kann ich es selbst kaum glauben.

Am 7. 7. 2022 reise ich zum Rudolstadtfestival, gebe am 8. einen Bodymusic-Workshop und spiele das ganze Wochenende mit der Folkstanzjubelband zum Tanz. Neben unfassbar vielen anderen Projekten, die rund um dieses Datum auch eine Rolle hätten spielen können, finde ich die Auswahl, die das Schicksal für mich getroffen hat, absolut angemessen.

Und aus der Rubrik „Musik und Politik“ – Ingeborg und die FRIEDENSSTATUE.

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