Ein großes glückliches Familientreffen zum „Festival improvisierter Musik“ in der sächsischen Provinz mit Anreisen bis zu 600 km und neuen Ausblicken für die regionalen Improscenes. Vergangene AHA-Erlebnisse und Initiationen wurden geteilt, Micha Breitenbach bewies uns allen, dass er nicht nur ein begnadeter Sopransaxofonist sondern auch ein ebenso begnadeter Vegan-Koch ist. Und natürlich Musik, Bier, Gespräche und persönliche Präsenz. Die Hofkatzen taten ihr Bestes, uns durcheinander zu bringen.
Ich nahm nach kurzem Nachdenken nur Geige und Toni mit – gute Entscheidung, es waren ausreichend Blinkelämpchen vor Ort. Musik ist unsere Sprache. Über alle Grenzen hinweg.
Gestern früh kurzes Telefonat mit Madagaskar, irgendwie kann ich mit Ricky immer wieder völlig unmotiviert in schallendes Gelächter ausbrechen. Ich glaube, wir waren grade bei dem Thema, wie verrückt alles um uns rum ist und dass das einzig Reale unsere Proberäume sind. Oder so.
Ich möchte gerne den Warschauer Pakt neu gründen, damit die NATO wieder einen realen Feind und nicht nur eine Projektionsebene hat. Irgendwie ist mir das 30 Jahre nicht aufgefallen, dass es immer noch ein Verteidigungsbündnis gegen, ja …. nun …. gegen was gibt? Die Sowjetunion hat nach dem Herbst 1989 alle Truppen und auch die atomwaffenbestückten Mittelstreckenraketen aus Ostdeutschland abgezogen. Und auch aus der Ukraine (z.B.). Die USA hat was abgezogen?
Projektionen sind an sich kein Unglück. Natürlich darf ich an meinem Küchentisch vor mich hin projizieren – das ist in vielen Fällen einfacher, als mal über sich nachzudenken und den Feind im eigenen Herzen zu erkennen. Manchmal geht das eben nicht. Da bin ich voll Sufi. Aber, die Sache ändert sich, sobald ich Entscheidungsträgerin und Machthaberin bin.
Ich bin unter Ronald Reagan aufgewachsen. Für den war die Sowjetunion das Reich des Bösen! Nicht im übertragenen Sinne, sondern ganz und gar buchstäblich! Das prägt. Und macht einen gewaltigen Unterschied bei ostdeutscher oder westdeutscher Sozialisation. Wir hier brauchen unseren Zugang zur Welt als Ostdeutsche und Osteuropäer!nnen. Und, soweit gehe ich —- die Welt braucht ihn auch. Wir wissen um den Schmerz, nicht wirklich deutsch, nicht wirklich europäisch zu sein. Wir wissen, wie Geschichte(n) unerzählt bleibt. Wir wissen, wie komplexe Situationen auf leichtverdauliche Eindimensionalitäten heruntergebrochen werden. Wir wissen, wie es sich anfühlt, wenn unsere Mitmenschen glauben, wir wären indoktriniert/ aufgehetzt/ asozial/ Feinde des Sozialismus (= der guten Sache). Wir wissen, wie schwer es ist, zu verzeihen. Bespitzelung, Zerstörung persönlicher und beruflicher Beziehungen, Schweigen, Angst. Angst, nicht vor dem Gefängnis oder dem Tod. Nein, Angst vor der gesellschaftlichen und sozialen Ächtung. Wir wissen, wie komplex und kompliziert ein Systemwechsel ist. Und wir wissen, wieviel Wut entsteht, wenn du dabei nicht mit deiner ganzen Persönlichkeit/ Präsenz/ Schöpferkraft anwesend sein darfst, weil es schlicht niemanden interessiert. Und wenn du endlich deine Wut in Trauer verwandelt hast, dann bist du ein undankbarer Jammer-Ossi. Nun, 30 Jahre später, ist es Zeit für neue Allianzen. Solidarität, Mitgefühl und aufrechten Gang.
Die aktuellen Reaktionen auf den Feind Covid oder Putin sind nicht wirklich überraschend. Ich hätte mir gewünscht, dass ich das NachObenTreiben der totalitären Sedimente in diesem Leben nicht noch einmal erfahren muss. Nun, IHR seht mich wach.