Unterwegs zwischen gestern und morgen

Wieder eine kleine Reise an Orte meiner Kindheit – Wald und Wasser, Laufen und Baden. Dieser unfassbar gelbe Raps grade. Und ein süsser Duft, der wie wir wissen, bald anfängt zu stinken. Hm, ein Schelm, wer da Vergleiche anstellt.

Auf der Rückfahrt hatte ich das Bedürfnis, auf dem Weg einen sowjetischen Friedhof zu finden, kurz an den Tag der Befreiung zu denken und ein Stoßgebet um Frieden/ Aussöhnung/ kreative Ideen an „werauchimmerdafürzuständigist“ zu schicken.

Geführt vom Navi landete ich auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof im Ilmpark/ Weimar.

Ich trat durch das Tor in eine andere Welt. Ich besuche sowieso gerne Friedhöfe, weil sie unterwegs oft die einzigen Orte in einer fremden Stadt sind, wo es Ruhe, Grün und Menschenleere gibt. Alle Gräber waren mit Nelken und Friedenstauben geschmückt. Dass deutsche Waffen jetzt auf die Enkel schießen, die diese Männer nie hatten – schwer erträglich. Dass alle Menschen, die in den letzten Jahrzehnten für Abrüstung, Verständigung und Aussöhnung mit unseren Nachbarn gearbeitet haben, sich jetzt entschuldigen müssen wegen ihrer verfehlten Aussenpolitik – schwer erträglich. Ich lebe nicht weit vom Völkerschlachtdenkmal – der steingewordenen Erinnerung an das große Schlachten 1813, in dem Russen und Preussen als Waffenbrüder dem Usurpator Napoleon Paroli boten. Die Sachsen schlugen sich damals klammheimlich auf die Seite des falschen Pferds, ironischerweise ist das Denkmal auf sächsischem Boden eben auch ein Zeichen für die Niederlage des sächsischen Königs und für Verrat und Irrtum. Naja. Im Nachhinein weiss man es immer besser.

Am Gedenkstein lagen offizielle Blumengebinde, aber auch handgeschriebene Zettel. Dankbares Gedenken für die, die damals für unsere Befreiung starben. Zumindest für die Freiheit, nicht mehr von Faschisten regiert zu werden. Leute, geht dahin, besucht diesen Ort. Er ist schön. Er ist friedlich. Niemand trägt dir was nach. Und trotzdem darfst du dich besinnen, wenn du willst. Dieser Ort lädt dich dazu ein. Es gibt mit Sicherheit keine Schuld (sorry, ich bin halt nicht religiös erzogen), aber es gibt Verantwortung. Für mich selbst, meine Gedanken, Handlungen, Worte. Mein Wofür und Wogegen. Was gebe ich in das Netz, in dem wir alle verbunden sind? Rechts am Gedenkstein stand ein Glas Wodka (die sto gramm, die es zu kaufen gibt) mit einem Brotkanten oben drauf. Ich brach in Tränen aus. Eine einfache Geste, ein kleines Opfer, etwas Wegzehrung für die Ahnen. Fürsorge. GesternHeuteMorgen. Die Welt ist komplex. Leben ist so unfassbar vielfältig. Mit eindimensionalen Lösungen kommen wir nicht weiter. Nein. Soviel ist sicher.

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