Zum Gedenken

… an Viktor Freytag, meinen Großonkel, gestorben als Offizier im 1. Weltkrieg, am 28. August 1918 im Alter von 23 Jahren. Danke an meine Schwester Martina, die die „Übersetzung“ des Erinnerungsbuches aus dem Sütterlin in Auftrag gab. Ich zitiere aus einem „Brief an Felix“ vom 16. April 1916, Kowno (russ. – lit. Kaunas, dt. Kauen).

„Was für eine schreckliche Zeit wird das werden nach dem Kriege! Alles bekommt den Größenwahn, alles schleppt in blinder Hast die finstersten Ideale herbei und hält sie natürlich für unentbehrlich für den Bau des neuen Deutschlands. Jeder erhofft die Verwirklichung seines Cliquenprogramms, jeder will die Welt an deutschen (d.h. dem seiner Partei) Wesen genesen machen. Wenn der Geist unserer Regierung und unseres Militärs die Oberhand behält, mag es noch einigermaßen gehen; aber vom deutschen Michel gilt: „Wehe wenn er losgelassen“, dann ist er unerträglich, dann fehlt ihm die französische Grazie, der englische nüchterne Blick, die russische Naivität und Tiefe, dann fehlt nicht viel am „Barbaren“. Ich glaube nicht, dass ich da zu schwarz sehe. Schon der Krieg macht ja viele geistig unzurechnungsfähig. In den Monatsberichten der Freischar diskutiert man nichts als: Freischar und Krieg, Alkohol und Krieg etc. und behauptet allen Ernstes, Freischararbeit sei jetzt, mit dem Krieg innerlich fertig zu werden. Überhaupt müsse dieser Krieg für jeden jungen Menschen das größte Erlebnis sein! Zu öde! Ideen wie Mitteleuropa und Rassenhygiene vermögen sie allenfalls in ihren Köpfen zu beherbergen. Warum ist nur der wahrhaft wissenschaftliche Mensch so selten und einsam? Der nüchtern in die Wirklichkeit schaut, weil nüchterner als die flache Jugendbegeisterung, aber mit seiner ganzen Seele in jenen anderen, reinen Sphären wohnt. Manchmal ist man versucht, an sich selbst irre zu werden, weil man gar so wenig Gesinnungsgemeinschaft findet.“

Viktor war ein Wandervogel, ich vermute, dass „Freischar“ sich auf diese Bewegung und nicht auf die Eliteeinheiten der Freikorps bezieht. Die eigentlich auch erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden.

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