Vor mir liegt ein buntes Wochenende mit einem Workshop zu westafrikanischer Trommelmusik für Fünfte-Klasse-Kids, der Slawischen Nacht in der MB LE als Gast bei Kupazukow (wir spielen zum Tanz und ich freue mich auf Tribal Dance), dem Tribute-Konzert für Franz, auch in der MB, (ich spiele mit Humming Trees, Three Forks und Solo) und meinem (1.) Rahmentrommelworkshop. Ich versuche grade, mir Musik für die unterschiedlichen Aufgaben anzuhören und dabei möglichst nicht durcheinander zu kommen. Geige, Riq, Davul, Bendir —– phh.
… da Krieg ja nunmal nicht kreativ macht und wir offiziell in eine neue Epoche eingetreten sind, in der ein Atomkrieg führbar ist und ich meinen Hass auf alles, was nicht direkt genauso ist wie ich, ohne Grenze ausleben darf (das war vorher ein NeoNaziPrivileg) …..
Dass ich meine wunderbare Kollegin MFA Kera beim Parlament der Bäume singend wiedertraf.
Ingeborg Freytag und MFA Kera 2022
Dass ich immer wieder Menschen begegne, die ihren Verstand nicht in Insolvenz schicken wollen und nach Strategien forschen, wie dem allgemeinen Kriegsgeheul zu begegnen sei. Wenn ich es nicht mehr schaffe, zu denken und zu fühlen OHNE für oder gegen Kriegsgeheul zu sein, bin ich mittendrin im Spiel – ich bin der Herr, deine Ideologie, du sollst keine anderen Ideologien haben neben mir und dein Geist soll verdunkelt sein, sodass du die moralische Zwickmühle wahrhaftig als Kampf zwischen gut und böse siehst und dann komme ich mit der einzig wahren Wahrheit und du musst dich nie wieder schlecht fühlen, weil du dich nie wieder entschuldigen oder aus der Geschichte lernen musst und überhaupt! Wir sind wieder wer! Die deutschen Waffen soll die Welt begaffen!
Gedenkstätte Ravensbrück
Dass ich eins wirklich genau weiss: Wenn der Russe kommt, dann packe ich meine Geige aus und spiele Podmoskownyje Wetschera. Und 30 oder 50 Jahre später dreht dann jemand einen Film, der heisst nicht der Pianist sondern die Geigerin. So.
Ingeborg Freytag und Valeri Funkner
Dass ich überall wo ich bin oder hinfahre, frische Kräuter, Gemüse und Obst finde und mich mit der lebendigen Natur verbinden kann – beim Essen, Laufen, Horchen, Sitzen und Denken.
Dass meine Freundinnen über Häuser, Grundstücke, Öfen und Infrarotsaunen verfügen und ihren Reichtum großzügig mit mir teilen.
Die Künstlerin verschwindet hinter ihrem Werk
Dass ich meiner madegassischen Musikerfamilie immer mal helfen kann, mit Geld, Papieren, Worten, Musik und Präsenz.
Grade ist mir wieder sehr bewusst, dass ich mich in der Landschaft der Endkämpfe des 2. Weltkriegs befinde. Passend dazu wird am nahen Schießstand geschossen. Morgen besuche ich die Gedenkstätte, so wie immer alle ein bis zwei Jahre. Das Kranichvolk versammelt sich am nahen Fließ, ab und an überfliegen Gänse den Hof. Aus dem Leihregal im Bioladen kommt aktueller Lesestoff: Eine Biographie von Alma Mahler (von Francoise Giroud), klassische jüdische Witze von Salcia Landmann und „Ideen, um das Ende der Welt zu vertagen“ von Ailton Krenak, einem brasilianischen Indigenen, da gefällt mir schon beim Reinlesen der Perspektivwechsel, bei uns auch gerne Relativieren genannt. Wir haben halt keine Ahnung, dass die Welt als erstes mal umgeträumt und neu gedacht werden muss. Danach kommt das Gerede, mit dem alle Revolutionen beginnen. Ja, ich darf darüber reden, dass dieses Land, diese Landschaft, seit Jahrzehnten jedes Jahr Knochen von toten Soldaten ausspuckt. Knochen von Männern aus Deutschland und Knochen von Sowjetbürgern. Damit mache ich das Leid der Menschen in den aktuellen Kriegen nicht kleiner. Und: Wie hoch war eigentlich der Anteil der „Flintenweiber“? Ui – da sind sie wieder, die Flintas. Tut mir leid, ich bin Musikerin, ich höre den Klang der Worte, bevor sich mir der Sinn erschließt. Und dann finde ich den Sinn öfter zum Lachen. Also: Waffenruhe. Und hinsetzen und reden. Ist mühsam, ich weiss. Viel Lebenszeit verbringe ich damit, Menschen zuzuhören, mit ihnen zu sprechen, sie zu motivieren, das ihnen Mögliche zu tun – Infos hin- und herzutragen und ganz am Ende zu akzeptieren, dass sie sich nicht nach meinen Wünschen richten. Je mehr meiner Hingabe und je weniger meines Egos im Spiel ist, umso erfolgreicher bin ich in der Regel. Ist es das, was die Ahnen meiner Vaterfamilie als Diplomaten in St. Petersburg taten?
Noch schnell ein Bäumchen pflanzen!
Und am 3. Dezember 2022 gibt es „Frau/ Leben/ Freiheit“, ein Konzert für den Iran in der Lukaskirche Leipzig. Bitte vormerken!
… Kaffee, Kraniche und gestern Abend ein warmes Stübchen mit Holzbriketts. Kürzlich las ich, ob wir uns nicht wenigstens eine Gegenwart schaffen sollten, wenn wir schon keine Zukunft haben. Da ja niemand weiss, was morgen ist, wäre das für Jetzt auf jeden Fall das bessere gedankliche Konstrukt. Ich hatte gestern vorm Abflug noch ein angenehmes und informatives Erstgespräch mit meinem neuen Labelchef über alles was noch zu zun ist, damit mein GeigenSoloAlbum veröffentlicht werden kann und über die lächerlichen Windungen des Musikbusiness, denen ich mich in diesem Fall nicht entziehen werde. 2-3 „offizielle“ Veröffentlichungen und dazu 1-2 in Eigenregie, und so weiter und immer schön im Wechsel zwischen Anarchie und Anpassung, so denke ich mir das. Die Inhalte passen ja eh in kein Schubkästchen, hihi. Und welche Musik wir gut finden, hören und kaufen, steuern schon länger Algorithmen. Da sollten wir uns weder als Kreative noch als NutzerInnen irgendwelchen Illusionen hingeben. Egal. Irgendwann werden sich die Algorithmen wieder in Algenrhythmen verwandeln, Narr-ative (alle!) werden in das närrische Feld einsinken, wo sie hingehören und alle Flintas gehen als echte Töchter von Käpt’n Flint auf Kaperfahrt, statt ihre TräumeSchmerzenSehnsüchte benutzen zu lassen wie einen parfümierten Putzlappen. Und Schwupps ist die Hauptstrasse ein Spielplatz. Und über Krieg werden wir lachen. Wie dumm wir damals waren …..
Immer wieder einen Besuch wert, die „Gärten der Welt“ in Berlin Marzahn.
Ja, es gibt mein Unterrichtsuniversum noch – etwas mehr im Hintergrund, etwas konzentrierter und begrenzt auf das Wesentliche. Am 6. November gebe ich einen Rahmentrommelworkshop. Wir sind zu Gast in den schönen hellen Räumen des NANAStudios in Leipzig Zentrum-Süd.
Alle Workshop-Infos gibt es in meinem Unterrichtsuniversum Drums & Chants. Alle Leihinstrumente inklusive!
… so für mich hin und nichts zu suchen das war mein Sinn. Nein, eigentlich wollte ich den Sinn eines Begriffes überprüfen und fiel prompt in eine Seite von Menschen, die sich mit Spaziergängen, moderner Pilgerfahrt, Medizinwanderungen, Walkabouts beschäftigen und dies auch nachhaltig orientierten Firmen anbieten. In Verbindung mit div. Teambuilding-Tools von Somatic Experience und Wildniserfahrung bis Achtsamkeitstraining. Eine Woche später hatte ich ein für beide Seiten äußerst inspirierendes Telefongespräch mit einem der Gründer. Zügig wurde uns klar, dasss wir mit herzlicher Hingabe dieselbe Sache bearbeiten und ich mit den Strategien der musikalisch-künstlerischen Berufe möglicherweise ein wertvolles assoziatives Mitglied werden könnte. Mal sehen! Jedenfalls, ich bin nicht allein mit dem, was ich mir unter Unternehmenskultur vorstelle und was ich in meinen Events und Trainings fokussiere. Und es gibt dafür immer wieder und immer weiter Partner in Wirtschaft, Industrie und Organisationen. Irgendwo muss man ja anfangen. Oder weitermachen. Die Atombombe ist auch keine Alternative. Die in diesem Zusammenhang beobachteten Ankündigungen des erweiterten Suizids würden normalerweise die Umgebung in höchste Alarmstimmung versetzen bzw. eine Einweisung nach sich ziehen. Zum Schutze des Patienten und der mitzunehmenden Nächsten. Aber für PolitikerInnen gilt das offenbar nicht.
Ja. Es fällt mir sowieso schwer, zu akzeptieren, dass auch Zerstörung ein kreativer Akt sein kann. Ich finde, das dürfen wir getrost der transformatorischen Energie der dunklen Göttinnen bzw. besser den dunklen Aspekten von Mutter Leben überlassen. Menschen sollten da nicht drin herumpfuschen. Auch keine Männer. Oder Frauensternchen. Niemand.
Ich liebe diese kleinen deutschen Texte mit kyrillischen Buchstaben! east pride – hihi!
Und: Eine kleine Anekdote vom „Highway To Hate“! Eine junge Frau kommt in den Club marschiert und bläkt: „Habt ihr etwa immer noch White Russian auf der Karte???“. Darauf faucht die Chefin: „Schon mal was von Big Lebowski gehört?“ (das war 1998 ein wunderbarer Film der Coen-Brüder, zu den Entspannungstechniken des Helden gehören neben Bowling mit Freunden und dem Anhören von Walgesängen auch das Trinken von White Russians =
5 cl Vodka
2,5 cl Kaffelikör
2,5 cl Sahne)
Die Aggro-Braut wusste das alles natürlich nicht. Wenig später gelang es, sie auf dem Damenklo bei schwerem Drogenmissbrauch zu ertappen und alsbald mit großer innerer Schadenfreude an die Luft zu setzen. Ach ja, Geschichten die das Leben schreibt, sind schwer zu überbieten ….
…. auf der Rückfahrt aus MeckPomm, wo das einzige Geräusch nachts die einzeln in die Regentonne fallenden Wassertropfen sind. Auf der Hinfahrt besuchte ich die Gedenkstätte Ravensbrück und Roswitha Baumeisters Denkzeichen für die Frauen, die in den Lagerbordellen Sexzwangsarbeit leisten mussten.
Mach ich natürlich nicht. Oder zu wenig. Zwischendurch ging mein Auto kaputt, ich kam recht komfortabel durch die Situation und dachte zwischendurch immer, ich wäre in einem Theaterstück. Ich stehe zwischen Sprint, Cosy Wash und Pit Stop. Verschiedene Personen treten auf und sagen was, sind lustig oder zornig, ein Ukrainer mit Segelohren will unbedingt ein TikTokFoto mit dem Tankstellenmann machen, der Tankstellenmann gibt mir eine Bockwurst aus, so gestrandet wie ich bin, der Strassenwachtfahrer erzählt mir alles über die Situation der Autowerkstätten in Berlin, der ADAC-Heimbringer kann mich nur heimbringen, weil er vorher eine seltsame Frau gerettet hat und darob seinen Feierabend verpasste und ich wollte ja eigentlich meditieren. Sumarah heisst vollkommene Hingabe und der Führung folgen. Ja, das mach ich. Der Alltag als Übung (Karlfried Graf Dürckheim). Und: es lebe die ADAC Plusmitgliedschaft!
Ich habe Delia’s Nachlasspfleger besucht – ich kann nicht zuschauen, wenn weibliches Erbe verschleudert wird, in einer Zeit in der Frauen sowieso wenig und selten vererben. Was ich tun konnte, habe ich getan und konnte im Moment auch nur ich tun. Nun ist alles auf dem Weg. Wer sie nur ein bisschen gekannt hat, weiß, dass sie es sich gerne eher schwer als leicht gemacht hat und alle rundrum es bitte auch so tun sollten. Ich wundere mich also nicht darüber, dass kein eindeutiges Testament mich beauftragt hat, sondern einzig und allein die immer noch vorhandene und nie zerbrochene Verbindung.
Und Franz. Ich denke jeden Tag an ihn. Vorgestern besuchte ich seine Gefährtin, bekam einen Stick mit allen Dateien, die irgendwie mit meinem Soloalbum zutun haben – wir tauschten Geschichten und Erinnerungen, weinten zusammen und teilten den Zorn auf ein unergründliches blödes Schicksal, was hier in die Speichen gegriffen hat. Und waren uns einig, dass sein lyrisches und musikalisches Erbe weiter auf die Bühne gehört. Wie und mit wem auch immer.
Die klugen Kollegen von Gangart Leipzig haben schon während der pandemisch inspirierten Massnahmen in ihre Rahmen gehängt, was wichtig ist, wenn da keine Konzertplakate hängen dürfen und man aber trotzdem was sagen will. Wir sollten uns öffnen für die zarten Stimmen, für die freundlichen Kommentare, für alles was uns hilft, mit Anstand und Würde in dieser Zeit zu leben. Im allgemeinen Kriegsgebrüll gibt es so vieles zu hören. Mein Beruf ist ja eigentlich nicht Musikerin, sondern Hörerin, Zuhörerin, Lauschende …..
Im Guten und im Schlechten, könnte ich jetzt sagen, das stimmt aber nicht. Ich bin mir sehr sicher, dass Franz mir bereits Türen geöffnet hat, die ich nur nicht so deutlich wahrnehme, weil ich noch mit den Türen beschäftigt bin, die sich geschlossen haben. Unser Abschiedsfest hätte ihm gefallen. Es gab die Möglichkeit, in einem separaten Raum von ihm Abschied zu nehmen. Ich wartete, bis die Schlange sich gelichtet hatte, schlüpfte hinein, schaute ihn lange an, sprach einen Segen und bedankte mich bei ihm.
Es wurde gelacht und geweint, geteilte Zeit, Gefühle und gemeinsame Orte und Gedanken geehrt und es gab Musik. Auch ein Geigenstück von mir – irgendwo zwischen Blues, Osteuropa, Zorn und Liebe und natürlich dem Wissen, dass ich den Anwesenden einen Weg bahnen muss. Als ich „into my arms“ von Nick Cave sang, mit der Gitarre unterstützt und begleitet von meinem wundervollen Kollegen Jörg, dem langjährigen Weggefährten von Franz, dachte ich kurz, Franz stünde hinter mir und frotzelte mich an, warum denn hier alle so traurig seien und was denn los wäre. Als seine Gefährtin begann, von „Passage“ zu sprechen und was sie alles bedeuten kann, wusst ich endgültig, dass ich eine Woche zuvor den richtigen Titel für mein Soloalbum gefunden hatte.
Heute war ich unterwegs, um Trost zu finden, draussen … Wald … Wasser … und wie ich da so durchs Unterholz krabble, finde ich nach mehreren Parasol(Schirm)pilzen eine Miniaturlichtung mit einer Steinpilzmama plus Steinpilzkind. Direkt daneben eine Schwungfeder von vermutlich Bussard, ich hörte sie auf dem Weg rufen. So bin ich nun nicht nur getröstet, sondern auch genährt mit einem Pilzgericht und (da ich immer wieder und oft Federn finde) in Kontakt mit „oben“. Was brauch ich mehr. Niemand weiss, was morgen ist. Und wenn wir frieren werden, warum? Sicher nicht, weil uns das Erdgas fehlt.
Ach Franz. Vorgestern Nacht hast du dich davongemacht. Ohne Vorankündigung. Und wirklich, wirklich viel zu früh. Nun muss ich mein Solovioline-Livealbum ohne deine treue Unterstützung zuende bringen. Und mich ohne dich darüber freuen. Und unser wundervolles Trio THE HUMMING TREES ist Geschichte. Es ist zum weinen. Und ich tue es auch.
Ich habe deine stille, freundliche und kraftvolle Präsenz beim Spielen geliebt. Du warst uns allen ein Vorbild, dass zum Musizieren eben doch ein bisschen mehr gehört als flinke Fingerchen und dass ein musikalisches Miteinander nur dann wirklich funktioniert, wenn die Beteiligten einander zuhören, respektieren und auch im Widerstreit SoSeinLassen. Und sich on the road nicht auf den Zeiger gehen.
Was ist passiert? Hast du dich in der Tür geirrt in dieser Nacht? Leben oder Sterben? Hattest du ein Problem, von dem du niemandem erzählt hast? Wusstest du etwas über dich und deine Zukunft und Sterben war die beste aller Alternativen?
Ich bin froh über unsere kleine Konzert-Tour mit Humming Trees an der Ostsee im Juli und ich sehe uns in der Lukaskirche am 2. August bei den Aufnahmen für mein Soloalbum. Du warst einer der Menschen, die meine künstlerische Präsenz sehen, verstehen und ehren konnten, ohne sie auf ihr eigenes Mittelmaß heruntermackern zu müssen. Das hattest du nicht nötig. Du wirst mir fehlen. Du fehlst mir jetzt schon.
Es ist eine schwere Zeit gerade. Wir wissen alle nicht, wohin mit unserer Liebe und unserem Zorn, scheinbar geht es an jeder Ecke nur um Kohle, alles ist ausgehöhlt und ohne Sinn und die Machtbesessenen dieser Welt machen das, was sie wollen. Also eigentlich versteh ich dich sogar. Mach’s gut. Wir sehen uns wieder.